Klinik Buchinger am Bodensee

  • von Anja Kruse
  • 11 Dez., 2017

Buchinger 2017 - ein Protokoll

Tag 1 - 
Die Anreise


Ich habe mich endlich, endlich durchgerungen zu diesem wichtigen "Termin" mit mir selbst. Nach so vielen Jahren voller Ausreden, Befindlichkeiten und sonstigen Verhinderungsstrategien. 14 Tage Auszeit stehen mir bevor, 10 davon werde ich fasten. Ich werde ein neuer Mensch sein, so wie ich es immer war in den vergangenen Jahren, als ich meine Heimreise nach dieser Zeit antrat.
 Ich bin so voller Vorfreude, dass ich bereits um 5 Uhr morgens kerzengerade im Bett stehe. 
Wie schon so oft stehen wieder 4 Taschen fertig gepackt bereit:   1 für kuscheliges Homeware und Sportzeug, 1 mit Hosen, Jacken, Pullis und festem Schuhwerk für Outdoor-Aktivitäten, in einer befindet sich mein "Badezimmer" und in der letzten ungelesene Bücher, anderes unerledigtes Zeug sowie ein Drehbuch und ein Theatertextbuch zum Lernen. Auf geht's. Ich fahre gemütlich, habe ja Zeit, genieße die Reise. Die Vorfreude ist so groß, dass mir heute sogar die Baustellen auf der Autobahn gefallen. Wenn man kurz vor Lindau Richtung Singen abbiegt, tut sich mit einem Mal der Bodensee in epischer Breite vor einem auf. Grausilbern vermischt sich die Wasseroberfläche mit dem Horizont. Ich halte kurz an. Was für eine friedliche Idylle - trotz des üblichen "Elefantenrennens" auf der Bundesstraße den See entlang Richtung Friedrichshafen. Knorrige Weinstöcke und kahle, scheinbar völlig vertrocknete Apfelbäume säumen den Wegesrand. Bald wird es Frühling sein. Ich biege von oben in den kleinen Ort Überlingen ein. Das Navi brauche ich nicht. Ich kenne mich aus. Es fühlt sich fast an wie heimkommen.
 Ich habe Hunger. Heute darf ich ja noch essen. Doch zunächst gibt es einen Begrüßungskaffee beim Chef. Und ab morgen dann: 14 Tage ohne Kaffee... autsch.
 Ich bin schwer beeindruckt von den baulichen Veränderungen der letzten Jahre. Die große Wiese zwischen den einzelnen Trakten ist einer perfekten Terrassenanlage gewichen, ideal zum Spazierengehen oder zum Verweilen auf einer der Bänke. Ich beziehe mein Zimmer und genieße eine Weile den atemberaubenden Blick auf den See.
 Ein perfekter Platz zum Loslassen.
 Inzwischen regnet es in Strömen, aber mit dem klinikeigenen Schirm bin ich gut gewappnet und freue mich auf den Stadtspaziergang. Hier hat sich nicht allzu viel verändert. Die charmante Fußgängerzone ist noch wie eh und je, die Kurpromenade mit seinen Cafés, die Fischlokale und auch die schreckliche Dönerbude. Mein Lieblingsplatz: das "Cinegreth" - Kino, Bistrot, edler Dekoladen und Markthalle - alles unter einem Dach. Staunend entdecke ich einen neuen Flohmarkt-Secondhand-Laden: von Nippes über Abendkleider aus den 50ger-Jahren, XXL- Kronleuchtern, Perücken und Pelzmänteln, alles da. Sowas gibt's in keiner Großstadt. Nur schade, dass mein Lieblingsladen schließt - so oft habe ich in den spirituellen und esoterischen Sachen gewühlt, Bücher, Räucherstäbchen und ayurvedische Öle gekauft und den einen oder anderen Heilstein. Schade. Ich werde diesen wunderbaren Platz beim nächsten Mal vermissen. Aus Sentimentalität kaufe ich mir einen wunderschönen Mondstein - obwohl ich natürlich schon einen von dort habe. 
Ich widerstehe der Versuchung, mir eine Brezel zu kaufen, auch die Eisdiele lässt mich kalt. Vorsorglich habe ich schon den Rest der Mandeln aus meinem Handschuhfach im Auto verputzt. Sicherheitshalber. Fasten ist mitunter ein ganz schönes Abenteuer, das weiß ich. Es sind weniger Gelüste, die einen nerven, sondern echter Hunger oder die damit verbundene Unterzuckerung. 
Ich beschließe, diesmal, noch mehr Wasser zu trinken und ganz viel Sport zu machen. Auch wenn ich hier tagelang durchschlafen könnte.
 Ein köstliches Abendessen erwartet mich in meinem Zimmer, eine ultraleichte Gemüselasagne mit Fenchel in einer traumhaften Sauce. Diesen Koch muss ich unbedingt kennenlernen. Ich brauche nämlich noch ein paar Tipps für mein "gesundes" Kochbuch, an dem ich zurzeit arbeite.
 Es ist gefühlte Mitternacht, doch in Wahrheit erst halb 9. Mit zwei Wärmflaschen hat die Nachtschwester mein Bett in eine kuschelig warme Höhle verwandelt. Die Stille macht mich unendlich müde. Auf den Fernseher habe ich verzichtet. Ich schreibe noch ein paar Zeilen, bis mir die Augen zufallen. Der morgige Tag beginnt um 7Uhr mit wiegen und Blutdruckmessen.

Tag 2 -  Stecker raus

Trotz meiner fiesen Erkältung habe ich gut geschlafen - so hundemüde wie ich war.
 Das Aufstehen um 7 Uhr fiel mir schwer. Ist einfach nicht meine Zeit. Schlafwandelnd lasse ich Wiegeprozedur und Blutdruckmessen über mich ergehen. In meinen Pupillen tanzen zwei Kaffeebohnen, aber das kann ich mir hier erstmal abschminken. Ich schleiche Richtung Teeküche und entscheide mich für Ingwertee, heiß und scharf. Der stellt mich auf die Füße. Danach geht's ab zum Arzt-Termin. Ich werde gründlich interviewt und untersucht. Es folgt ein fast amikales Gespräch. So würde man sich Ärzte immer wünschen. Und ich werde hier nicht für zu dünn befunden, um zu fasten - wie schon anderswo erlebt. Wir besprechen das Prozedere. Ich sage meine Meinung. Berichte von Erfahrungen vergangener Fastenkuren. Kann glaubwürdig rüberbringen, dass ich mich im Allgemeinen gesund ernähre und der Vorschlag des Arztes, ein bisschen Protein wegen der Muskeln zuzugeben (gab's bisher nicht), finde ich - trotz Kalorien und Feststoffe - überzeugend, denn ich will ja so bleiben, wie ich bin, aber Fett in Muskeln verwandeln. Das heißt: Training jeden Tag! Ein guter Vorsatz.
 Heute an meinem vorbereitenden "Entlastungstag" bekomme ich Kartoffelbrei und Spinat.
 Nach dem Mittagessen ist der Leberwickel fällig. Ich bekomme von der Schwester ein feuchtes Handtuch auf den Bauch, darüber eine Wärmflasche, anschließend werde ich fest eingewickelt.  Und dann ab ins Bett für eine Stunde. Mann, zieht mich das runter.  Die Müdigkeit von Jahren scheint mich wie einer von Harry Potters Dementoren einzusaugen. Der Himmel über dem Bodensee ist grau. Ich nehme mir ein Buch und schlafe darüber ein. Inzwischen hat es angefangen zu regnen. Ich hab's gemütlich warm und kehre zu meinem Buch zurück. So viel zu meinem Plan, spazieren zu gehen oder das Fitnessstudio aufzusuchen. Aber ich muss das akzeptieren. Hier ist kein Platz für schlechtes Gewissen. Mein Körper ist der Chef und sagt: "Stecker raus!" Also lasse ich mich darauf ein und genieße in vollen Zügen diesen wahrlich sau-faulen Tag.
 Am späten Nachmittag klärt der Himmel auf, ein bisschen kommt die Sonne durch. Ich traue mich doch noch kurz vor die Tür. 
Am Abend bringt die Schwester meine Henkersmahlzeit - köstliches Gemüse, Kartoffeln und Tomatensauce. Das Letzte, das ich in den nächsten 10 Tagen essen werde. Ich genieße mit unendlicher Langsamkeit jeden einzelnen Bissen. Morgen wird's ernst. Das Buch habe ich inzwischen ausgelesen. Ich bin sowas von entspannt. Und schon wieder müde. Super, ich brauche weder ein Glas Wein,  geschweige denn den Fernseher zum Einschlafen.

 

Tag 3
 - Alles muss raus

Der Morgen beginnt mit einem Labortermin und Blutabnahme.  Wie ich das hasse. Aber hier kommt man nicht dran vorbei. Um das Krankenhaus-Feeling wegzukriegen, mache ich eine Runde Dance-Workout via YouTube auf dem Laptop in meinem Zimmer. Das hebt meine Laune. Ja ich weiss, ich bin da vielleicht ein bisschen überempfindlich. Anschließend kommt die größte kulinarische Bestrafung der Menschheitsgeschichte dran: das Glaubersalz. Todesmutig kippe ich den halben Liter dieses bitter-salzigen Gesöffs in einem Zug herunter.  Hab ich ein Glück, dass beim Buchinger-Fasten nur eine einmalige Dosis dieser Darmentleerungskur vorgesehen ist, im Gegensatz zur täglichen Gabe bei der Mayr-Kur. Meine Euphorie verfliegt nach zwei Stunden,  denn es passiert - absolut nichts. Das gibt's doch nicht! Anscheinend will mein Körper den Müll der letzten Jahre einfach nicht hergeben. Ich bin zwar fastenerfahren, aber das hatte ich auch noch nicht. Na schön. Hat keinen Sinn, zu jammern. Wird schon irgendwann werden. Ich ordere für den Abend am besten eine Menge Tee. Und eine Wärmflasche. Die hilft immer. Ich bleibe gelassen und genieße meinen Termin beim Lieblingstherapeuten, 1 Stunde Shiatsu. Dazu tibetischer Klangschalen-Sound. Mir geht's gut! Obwohl, ich merke, ich bin ganz schön eingerostet. Der Therapeut bestätigt mir das, schließlich kennen wir uns schon seit über 20 Jahren. Die Liste meiner guten Vorsätze, mehr für mich zu tun, ist gerade wieder mal länger geworden.

Mittlerweile hat sich wieder mal eine Regenfront auf dem See bereitgemacht. Es ist kurz nach vier. Trotzdem, ich seh nicht ein, warum ich in meinem Zimmer Hausarrest schieben soll. Ich habe Appetit auf Sonnenstudio - ich unterscheide mich farblich derzeit nur unwesentlich von der Wand in meinem Zimmer. Außerdem läuft heute um 18h zum letzten Mal der Film "Elle" im Überlinger Kino. Und Isabelle Huppert muss ich unbedingt sehen!

Das Sonnenstudio gibt es leider nicht mehr, aber ich hatte immerhin einen erfrischenden Regenspaziergang und mein Kreislauf ist wieder oben. Und ich war im Kino. Großartige Schauspielerin, Isabelle Huppert. Schade, dass es nicht die Originalversion war, aber es gibt wohl nicht allzu viele französisch sprechende Menschen in Überlingen. Außer in der Klinik. Man merkt, die Chefin ist Französin, es hört sich hier für mich alles sehr vertraut an. Überwiegend französische Gäste.  Am Abend schlürfe ich in aller Ruhe meine Gemüsesuppe. Und trinke dazu jede Menge Tee. Mit einer Wärmflasche auf dem Bauch beende ich diesen ersten Fasten-Tag.

 

Tag 4 - Durchhänger

Es gibt Tage, an denen kommt man einfach nicht in die Schuhe.
  Ich stemme um acht Uhr die Augen auf und der Himmel ist dunkelgrau. Es gießt in Strömen.
 Ich bin so unendlich müde und schlapp, als hätte ich gestern einen Achttausender bestiegen. 
Bin wahrscheinlich mega übersäuert. Jede Art von Fitness lasse ich heute aus, widme mich meinen Büchern und meiner Wärmflasche. Lesen geht gerade, aber Textlernen? Das kann ich heute knicken. Mein innerer Festplattenspeicher ist heute irgendwie übervoll und die CPU-Leistung am Tiefpunkt.
 Das Bett verschlingt mich den halben Tag. Zu meiner Shiatsu-Stunde quäle ich mich regelrecht. Wenigstens gibt mein Darm jetzt endlich Ruhe. Ist doch schon mal was. Und ich hab weder Hunger noch Kopfschmerzen. Was will man mehr. Es ist der zweite Fastentag und ich bin erst am Beginn meiner Reise. Außerdem muß ich mir eingestehen, dass ich im letzten Jahr wahnsinnig viel gearbeitet und wenig an mich selbst gedacht habe - also kein Wunder, dass ich müde bin. Schließlich raffe ich mich doch noch auf und mache einen Regenspaziergang am Wasser entlang und durch den Ort. Dies wäre so ein klassischer Tag für ein Frust-Eis (Eisdielen gibt’s hier einige) - kommt gar nicht infrage! - oder den einen oder anderen Frustkauf. Ich bleibe standhaft - im Hinblick auf meine übervollen Kleiderschränke. Dafür unterbreche ich am Abend mein „Medienfasten“. Ich werfe eine halbe Packung Basenpulver in die Badewanne, lasse mich genüsslich in das warme Wasser gleiten und ziehe mir drei Folgen von „The Mentalist“ rein - Notebook und Netflix sei Dank. Ahhh, das tut gut. Simon Baker ist immer eine Ablenkung wert. Trotz der langen Badedauer (das sollte bei Basenbädern so sein) fühlt sich meine Haut toll an. Noch nass schlüpfe ich in meinen Bademantel und schlafe augenblicklich ein.

 

 Tag 5 - Ferienfeeling

Was für ein Tag. Blitzblauer Himmel. Und schon bin ich wieder voller Energie. 
Als Löwe bin ich offensichtlich ein Sonnenkind. Ich starte den Tag mit dem üblichen Blutdruckmessen im Schwesternzimmer im ersten Stock und nehme heute aus lauter Übermut 2 Stufen auf einmal. Beschwingt begebe ich mich danach zu meiner Therapie. Manch einen mag es bei dem Wort "Darmspülung" (Colon-Hydrotherapie) grausen. Ich kenne das Prozedere schon. Auch wenn es nicht so angenehm ist wie eine Kosmetikbehandlung, aber doch weitaus lässiger als ein Zahnarztbesuch - der Effekt entspricht allen Erwartungen und man fühlt sich danach so richtig leer und komplett sauber. Zu Beginn hatte ich noch ein kleines Hungergefühl, das aber gegen Ende sofort verschwand, genauso wie die morgendlichen Kopfschmerzen.    Mir geht's gut. Ich springe in den Pool und schwimme 30 Längen. Ich bin stolz auf mich. Ich war nämlich schon ein ganz schöner Stubenhocker geworden im letzten Jahr. Am Nachmittag zieht es mich Richtung Strandpromenade. Im Kurpark strecken überall Krokusse und Schneeglöckchen die Köpfe aus der Erde. Endlich Frühling. Das Wochenende beginnt bald und es sind schon eine Menge Leute unterwegs. In einem der Cafés ergattere ich einen leeren Tisch und bestelle mir einen Pfefferminztee. Um den beigelegten Keks balgen sich lautstark ein paar Spatzen. Die Sonne geht langsam unter und es wird kühl. Ich stöbere ein bisschen in einem Buchladen und finde natürlich wieder mal was. Diesmal zum Thema gesunde Ernährung, wunderbares Inspirationsfutter für mein Kochbuch... Inzwischen ist es dunkel und mir ist kalt. Sonnenbank, schreit mein Körper. Und ich finde tatsächlich eine im Nachbarort. Ich lasse mich von der Wärme durchstrahlen und kehre voller Energie in die Klinik zurück, wo mich schon eine köstliche Karottenbrühe auf dem Zimmer erwartet. Ich verkrieche mich ins Bett und beende das dritte Buch über Edith Stein in Vorbereitung auf die Dreharbeiten im Mai. Ich muss sagen, nirgends kriege ich so viel geschafft wie hier beim Fasten in der Buchungen Klinik - wohl, weil alles andere zur Nebensache wird.

 

 Tag 6 - Zauberberg

Schon ganz früh am Morgen weckt mich ein vorwitziger Sonnenstrahl, der seinen Weg durch die Vorhänge gefunden hat. Die Schwester bringt meinen Morgentee, den ich, in eine Decke gehüllt, auf dem Balkon genieße. Blausilbern breitet sich der See unter mir aus und der Himmel ist blitzeblank. Kein Wölkchen am Himmel. Ich habe nicht sehr gut geschlafen. Deshalb ziehe ich es vor, einfach in der Sonne weiterzuschlafen. Die Luft ist zwar noch kalt, aber die Sonne hat schon mächtig Kraft. Heute bin ich zu nichts anderem zu bewegen. Etwas unlustig schleppe ich mich zum morgendlichen Blutdruck-mess- und Wiegetermin. Sonst habe ich keine weiteren Termine. Ein komplett freier Tag. Pool und Fitnessraum können mich heute mal. Den leichten Hunger kippe ich mit grünem Tee herunter. Er schmeckt schauderhaft. Fastenkrise? Nein, eigentlich nicht wirklich. Obwohl - den Honig vom Frühstück, den ich sonst nie anrühre, verputze ich heute ganz und gar. Ich habe nicht mal Lust auf ein Buch. In meine Decke gewickelt, Beine draußen, damit sie ein bisschen mehr Farbe annehmen als der Rest, döse ich auf meiner Liege draußen vor mich hin. Den ganzen Tag. Ich habe sogar das Telefon abgeschaltet. Kein Bock auf nix. Ich komme mir vor wie in Thomas Manns Roman. Nur dass ich Gottseidank nicht krank bin. Ich habe nur heute offensichtlich meinen "krank-spiel-Tag". Gegen Abend, als mich die Kälte wieder zurück ins Zimmer treibt, packt mich dann doch das schlechte Gewissen und ich werfe mein Notebook an, wenigstens, um einiges Material für den theoretischen Teil für mein Kochbuch zu sortieren. Irgendwie hatte ich hier mehr von mir erwartet, nämlich wie üblich einen kreativen Schub zu erleben - wie bei meiner letzten Fastenkur. Aber diesmal scheint das irgendwie nicht zu klappen. Zum Textlernen hab ich auch keine Lust. Mit bunten Textmarkern markiere ich jedenfalls schon mal meine Rolle, weiter komme ich heute nicht. Alles andere später, ich habe Gottseidank noch Zeit. Gegen Abend probiere ich die homöopathischen Schlaftropfen aus, die mir die Schwester gegeben hat, da ich leider mitunter Schwierigkeiten habe, einzuschlafen. Nix passiert. Aber ich will hier keinen Stress zulassen, nur weil ich noch so spät wach bin. Also versuche ich einen möglichst langweiligen Film auf Netflix oder Amazon zu finden - (den Titel verrate ich lieber nicht). Na bitte, funktioniert doch. Nach einer guten halben Stunde schalte ich mein Notebook aus. Gute Nacht.

 

 Tag 7
 - Und doch ein bisschen "Arbeit"

Heute an meinem 5. Fastentag habe ich das Gefühl, "über den Berg" zu sein. Magen und Darm hüllen sich in Schweigen. Alles ist gut. Essen -  was ist das? frage ich mich heute Morgen.
 Mit dieser Einstellung bin ich gut gerüstet für die private Lehrstunde beim Küchenchef der Klinik. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einiges zu lernen. Vor allem raffinierte Saucen ohne Mehl und Fett und diverse Ideen für interessante Gemüsegerichte nebst gesunden Kochtechniken.

Ich werde mich ein bisschen "aufbretzeln" für den Termin, denn der Fotograf des Haues wird ein paar Bilder schießen. Irgendwie ein seltsames Gefühl, hier auf diesem Gelände mit schicken Klamotten und Make-up herumzulaufen... Man sollte es nicht glauben, dass man einen Kochkurs absolvieren kann, wo nur schnuppern,
 aber nicht probieren erlaubt ist. Klar, geht ja auch nicht beim Fasten. Es duftet betörend, lässt mich aber ansonsten unbeeindruckt. Einfach großartig, was ich in 2 kurzen Stunden gelernt habe. Ich ertränke mein Kochgut sicher niemals in Fett, aber dass es so ganz ohne geht - ich meine, im Edelstahltopf und nicht in Teflon! - ehrlich gesagt, das habe ich mir nicht vorstellen können, respektive mich auch noch nie getraut. Sehr interessant auch, wie man eine Sauce mit typischem "Bratenaroma" hinkriegt, und das ganz ohne Fleisch. Oder die Potenzierung von Geschmackserlebnis mittels Vergrößerung der Oberfläche des Gargutes, sprich: spezielle Schnitt- und Reibetechniken. Ich bin begeistert. Es ist ein großer Erfahrungsschatz, den ich in meinem Kochbuch umsetzen kann. Auch wenn das herrliche Wetter eigentlich noch zu einem Spaziergang einladen würde, muss ich ganz schnell in mein Zimmer, um das Gelernte in mein Notebook zu füttern. So lange die Erinnerung noch frisch ist. Ich bin voller Elan und Energie und ganz wach in der Birne und merke nicht, wie die Zeit verfliegt. Es ist schon weit nach Mitternacht, als ich den Computer und mich endlich schlafen lege.

 

Tag 8 - 
Entgiftung auf Vollgas

Als ich heute Morgen aufwache, fühle ich mich, als wäre ich heute Nacht durch die Kneipen gezogen mit jeder Menge Alkohol. Ich habe einen ausgewachsenen Kater. Einen Fasten-Kater. Meine Zunge ist belegt, weiß wie Schnee. Bäh.      Und auch die Zähne fühlen sich seltsam "belegt" an. Aha, jetzt geht mein Körper also in den Endspurt der Entgiftung.  Ich putze mir fast 10 Minuten lang die Zähne samt Zunge, mit mäßigem Erfolg. Da ich genug trinke, mache ich mir aber keine Sorgen. Ich habe gelernt, dass das normal ist. Ab heute gibt's ein Glas Karottensaft zum Frühstück - selten hat mir ein schlichter Karottensaft mit einem Tropfen Leinöl so gut geschmeckt!
 Voller Begeisterung und Energie hüpfe ich danach in den Pool und kraule, was das Zeug hält. In dieser Stunde habe ich das Schwimmbad für mich allein und ich nutze die Gelegenheit, zum ausgiebigen Planschen. Danach bin ich erst mal platt und entscheide mich für ein ausgiebiges Sonnenbad. Nur unterbrochen von dem lästigen, aber notwendigen Einlauf (damit mein Darm auch wirklich komplett leer wird) und vom Leberwickel, das heißt: 1 Stunde Zwangsmittagspause.
 Heute spüre ich, wie mein Körper arbeitet, na gut, dann gebe ich ihm eben Ruhe. Nur mein Geist ist blitzehellewach. Somit nervt mich ehrlich gesagt der Termin für die Mikronährstoff-Infusion, die mir der Arzt verordnet hat. Rumliegen und stillhalten. Jetzt würd ich gern Text lernen. Aber das geht in dem kleinen Laborraum nicht. Damit der Kreislauf oben bleibt, gehe ich anschließend ein Weilchen auf den Crosstrainer. Außerdem kann man da wunderbar Text lernen. Denn diese Tretmühlen sind zwar gut für den Körper aber ansonsten entsetzlich langweilig. Heute Abend gibt's Brühe von Petersilie und Spinat. Nein ehrlich. Das ist leider absolut nicht meins! Aber ich habe noch Honig vom Nachmittag. Das reicht mir als Abendessen. Himmel, bin ich wach! Ich setze mich an den Computer und arbeite weiter an meinem Kochbuch. Ich habe so viel im Kopf.
 Neue Rezeptideen, Ernährungsregeln. Schon krass, dass man während einer Fastenkur an einem Kochbuch arbeiten kann. Nunja. Phantasie ist eben alles... Ich freue mich schon aufs ausprobieren, wenn ich wieder zuhause bin. Ich bin in meinem Flow nicht zu bremsen und merke nicht, wie die Zeit vergeht. Rundum zufrieden mit mir und der Welt schalte ich aber dann aber doch kurz vor Mitternacht das Licht aus.

 

 Tag 9 Fasten-Euphorie

Es ist mein 7. Fastentag. Und das Nicht-Essen ist für mich inzwischen absolut normal.
 Draußen ist es - zumindest optisch - Hochsommer.  In mir drinnen auch. Nach meinem Karottensaft fühle ich mich, als könnte ich Bäume ausreißen. Es ist so unglaublich toll, auf Nahrung zu verzichten! Das passt gut heute, denn mein Tag ist ziemlich eng getaktet mit Terminen.
 In der Früh schwimme ich brav meine Runden, danach habe ich ein Gespräch mit dem Arzt über meine Laborwerte. Zu so einem Termin gehe ich immer mit ein bisschen Herzklopfen hin - man weiß ja nie... Alles im grünen Bereich. Ich tanze vor Freude. Ab ins Zimmer, Haare waschen und stylen und ein bisschen "Maske" - der Klinikchef, ein Freund von mir, hat heute Geburtstag und mittags gibt es einen kleinen Empfang mit ein bisschen Musik. Ich schlüpfe zu diesem Anlass in ein hautenges graues Kaschmirkleid, das ich schon lange nicht mehr getragen habe, weil es nur gut aussieht, wenn der Bauch ganz flach ist. Er ist flach. Juhu. Und ich finde mich wunderschön in dem wunderschönen schlichten Kleid. Während des Empfangs gibt es Säfte und süßen Körnerkuchen. Mit einem Glas stillen Wasser in der Hand lässt mich das sowas von kalt. 
Ich muss unwillkürlich schmunzeln, wenn ich an die üblichen Empfänge, Vernissagen, Preisverleihungen und Charity-Events denke. Roter Teppich, ein Glas (Wein, Champagner oder ähnliches) in der Hand, in der anderen Hand das Fingerfood balancierend. Das ist ein Teil meines Lebens geworden, so normal wie aufstehen und Zähneputzen. Ich leere mein Glas mit Mineralwasser, stelle es ab und denke mir, dass das ja alles nur Gewohnheiten sind. Brauchen 
tut das kein Mensch wirklich. Ich beschließe, bei der nächsten Party mal daran zu denken. 
Da ich mich heute so schön finde, werfe ich mich in mein Yoga-Outfit und trainiere eine Stunde ganz allein in der Gymnastikhalle an der Ballettstange vor dem großen Spiegel.
 Und da dieser Tag so schön ist, beende ich ihn auf der Kurpromenade in einem Café. Und der Ober schafft es tatsächlich, mir einen angesagten Chai-Latte ohne Latte zu bringen. Das nennt man dann wohl Jogi-Tee, wenn ich mich nicht irre. Ich bin in Erklärungsnot - also erzähle ich ihm, dass ich faste. Das leicht übergewichtige Kerlchen schaut mich mit ängstlicher Bewunderung an. Ich kann den Text schon in seinen Augen lesen: "Was für eine Heldentat für so eine arme dünne Maus". Ich lache mich schlapp. Aber nur innerlich, alles andere wäre doch ein bisschen unhöflich. Nach so viel Aktivitäten gibt es heute Abend wieder ein 90-Minuten Basenbad. Und dazu einen Film, damit's nicht langweilig wird. Mein Bett verschluckt mich danach augenblicklich.


Tag 10 - 
Lust auf Neues

Ich habe geschlafen wie ein Stein. Gut gelaunt beginne ich meine allmorgendliche buddhistische Gebetszeremonie und schaffe es, wirklich eine ganze Stunde zu chanten. Ich hatte mir meinen kleinen Mini-Reisealtar mitgebracht und auf dem Bücherregal aufgebaut. Ich bin rundum glücklich und zufrieden. Oops, da habe ich doch glatt vor lauter Euphorie meinen Morgentermin im Schwesternzimmer vergessen. Macht nichts. Bin ja kein Risiko-Patient. Vor der Mittagssuppe habe ich noch meine Shiatsu-Therapie und gehe eine Runde schwimmen. Dann Leberwickel, eine Stunde ruhen. Aber ich bin zu unruhig, um einfach im Bett zu bleiben. Ich muss raus. Klinik-Koller? Vielleicht. Doch glaube eher: Überlingen-Koller. Das andere Seeufer habe ich ja ständig im Blick, also entschließe ich mich heute für einen "Seitenwechsel". Ich setze mein Auto in Bewegung Richtung Meersburg und nehme die Autofähre nach Konstanz. Nach über einer Woche "Kur- Dasein" kommt mir das wie ein Riesenabenteuer vor. Oben an Deck lasse ich mir den Wind um die Nase wehen.    Ein kleines "Traumschiff"-Feeling macht sich breit. Es ist herrlich. Die kurze Überfahrt hätte von mir aus ruhig länger dauern können. Ich bin schwer beeindruckt von Konstanz mit seinen Straßencafés, den jungen Leuten, den zauberhaften kleinen Boutiquen jenseits der allgegenwärtigen Mainstream-Läden. Ich erinnere mich an diese Stadt, in deren Stadttheater ich mein erstes Vorsprechen nach der Schauspielschule hatte. Ich fand die Stadt damals scheußlich, hier würde ich nicht für ein paar Jahr leben wollen. Und heute, viele, viele Jahre später, wandere ich durch die Altstadt, bestaune die wunderbar erhaltenen alten Häuser und lasse mich planlos in die eine oder andere Boutique fallen. Natürlich habe ich wieder mal etwas ganz Ausgefallenes für mich gefunden: Kleider im 50ger-Jahre Stil mit Petticoats. Da kann ich nicht widerstehen. In einem der zauberhaften Cafés lege ich eine Pause ein. Merke doch, wie der Kreislauf ein bisschen unten ist und so leiste ich mir den ersten Espresso nach längerer Zeit - ganz ohne schlechtes Gewissen. Zurück fahre ich um den See herum und lege noch einen kleinen Stop im Sonnenstudio ein. Heute war vielleicht kein ausgesprochener "Kur"-Tag, aber das musste mal sein. Hundemüde und sehr zufrieden schalte ich schon um 22 Uhr das Licht aus.

 

 Tag 11 - 
Mein Darm spielt verrückt

Es ist mein 9. und vorletzter Fastentag. Es rumpelt und rumort in meinem Bauch als hätte
ich ein ganzes Fass Sauerkraut vertilgt. Echt ätzend. Was ist da los? Ist das der letzte Dreck in den hintersten Darmwindungen der jetzt noch zu Tage tritt? Das kann doch nicht mit dem Kaffee von gestern zu tun haben. Jedenfalls versaut es mir gründlich den Tag. 
Missmutig schwimme ich meine Runden. Im Wasser fühle ich mich etwas besser. Aber ich kann
ja nicht ewig drinbleiben.
 Gottseidank habe ich noch eine Colon-Hydro-Therapie gebucht. Mal sehen. Dachte ich mir's doch:  eine ganze Menge Luft wird nach draußen befördert. Vielleicht trinke ich zu schnell? Doch es ist Gottseidank nicht bloß Luft. Es erstaunt mich jedes Mal, wieviel Dreck trotz so langem Fasten aus dem Darm gespült wird. Das klebt alles vielleicht schon Jahre in unserem Körper. Scheußlicher Gedanke.  Und meine guten Vorsätze, in Zukunft noch viel mehr Wasser zu trinken und die Käse- Rotwein-und-sonst-nichts-Abendessen (absolut ballaststofffrei!) auf ein Minimum zu beschränken, klettern wieder mal in schwindelnde Höhen. Ich solle mir wegen der Luft keine Sorgen machen, sagt man mir, das käme schon mal vor und sei harmlos. Also Wärmflasche auf den Bauch und ab ins Bett.
 Nicht mein Tag heute.
 Abends fühle ich mich so matschig als hätte man mich zu Püree gekocht. Gierig lutsche ich
 an den Zitronenachteln vom Nachmittagstee. Das bringt mir tatsächlich wieder ein bisschen Energie.
 Na schön. Ich hatte gestern einen erlebnisreichen Tag. Dann leiste ich mir heute wieder einmal Faulheit. Damit sich der Frust in Grenzen hält, lerne ich noch ein paar Seiten Text. Und am Abend gibt's als Trostpflaster noch ein paar Folgen "The Mentalist". Wehe, es geht mir morgen nicht besser! Denn morgen habe ich viel vor und muss früh aufstehen.

 

Tag 12
 - 10. Fastentag

Es geht mir besser. Es ist wieder Ruhe eingekehrt in meinem Bauch. Das ist auch gut so, 
denn heute Morgen habe ich schon um 9 Uhr meine letzte Shiatsu-Stunde. Danach etwas ausruhen, einige Längen schwimmen, Mittagssuppe, Leberwickel und anschließend fertig machen zum Ausflug. Heute steht noch einmal Konstanz auf dem Programm. Überfahrt bei herrlichem, wenn auch ordentlich windigem Wetter mit der Fähre, Stadtbummel, Sightseeing, Besichtigung des Münsters - wunderschön! - ein Besuch im angesagtesten Restaurant der 
Stadt mit dem bezeichnenden Namen "Umami" (diese Geschmacksrichtung - „fleischig, würzig“ - war bei mir in den letzten 2 Wochen bei Buchinger komplett ausgeklammert). Restaurant???
 Ja, warum nicht? Ich bin mit dem Chef der Klinik unterwegs, wir gehen anschließend ins Kino und er muss ja nicht meinetwegen hungern. Er bestellt sich eine wundervoll aussehende Sushi- Platte, ich eine Misosuppe ohne Innenleben. Alles ist gut. Ich muss in keiner Weise stark sein. Sein Teller interessiert mich nicht die Bohne. Die Misosuppe ist köstlich. Was mich dagegen echt nervt, ist der Popcorn-Gestank im Kino. Das habe ich noch nie so wahrgenommen. Im Fasten ist man eben echt sensibilisiert für solche Dinge. Unfassbar, wie die Leute sich das Eimerweise reinschaufeln, plus Cola zum runterspülen. Igitt. Gottseidank fesselt mich der Film doch so,
 dass ich nicht weiter darüber nachdenke. Es ist schon spät, als ich endlich wieder in meinem Zimmer bin. Die Fähre fuhr schon nicht mehr - und um den Bodensee herumfahren - das zieht sich.  Alles in allem: super Tag heute.Mit etwas gemischten Gefühlen sehe ich dem morgigen Fastenbrechen entgegen. Ich hab mich so daran gewöhnt, nichts zu essen.  Ich mag noch gar nicht wieder anfangen....

 

 Tag 13 Fastenbrechen

Es regnet. Der Himmel ist grau. Der Tag geht geruhsam los. Der übliche Morgentee,
 noch nichts Besonderes dabei. Ich chante 1Stunde, schreibe ein paar emails, und schon 
ist es Mittag. Die Schwester bringt mir Apfelkompott mit einer einzigen Cashewnuss obendrauf - wie süß! Dann gibt es noch einen Apfel. Für nachmittags. Vorsichtig wage ich mich an das Apfelkompott heran, Teelöffelchen für Teelöffelchen. Schön langsam, damit das Rumoren nicht wieder anfängt. Es schmeckt köstlich. Die Cashewnuss verputze ich als Dessert und zermalme sie mit meinen Zähnen langsam und genüsslich zu Brei. Lustig, hab völlig vergessen, dass ich Zähne habe. Jetzt gilt es, wieder richtig kauen zu lernen - das ist die Hauptphilosophie von Buchinger in der Nach-Fastenzeit. Das Wetter schreit nicht gerade nach Spaziergang. Also gönne ich mir noch eine letzte Runde im Sonnenstudio. Vorher esse ich noch meinen Apfel, Minibissen für Minibissen. Und jeder Bissen 10 Mal gekaut. Ich brauche sicher eine Viertelstunde dafür.
 Von der Sonnenbank gut aufgeheizt, lasse ich mich in den Pool gleiten und schwimme - trotz eisigem Wind - meine Längen. Danach kuschele ich mich, dick und fett eingecremt, in meinen Bademantel. Ich bin so froh, dass man mir gestattet hat, die Fastenbrech-Suppe auf meinem Zimmer einzunehmen. Der Gedanke, mich jetzt anzuziehen und ins Restaurant zu gehen,
 behagt mir gar nicht. Und ich möchte auch kein Kerzchen und eine Gratulation und allgemeine Aufmerksamkeit. Die Schwester bringt eine Thermoskanne mit der legendären Suppe und stellt eine Urkunde daneben. Ich feiere diesen Abschied vom Fasten ganz mit mir allein. Das finde 
ich absolut angemessen. Die erste Suppe seit über 10 Tagen, die Struktur, Sämigkeit und vor allem ein Innenleben hat.  Es handelt sich um eine köstlich cremige Kartoffelsuppe mit Julienne von rohen Zucchini und Karotten. Weich und doch mit Biss. Sehr interessant. Ich genieße mit vollem Bewusstsein jeden einzelnen Löffel und tippe nicht nebenher - wie so oft - in mein Notebook. Nach einer guten halben Stunde habe ich alles geschafft und bin pappsatt.
 Ich werde wahrscheinlich schlafen wie ein Baby. 
Ab morgen geht dann der langsame Aufbau los.

 

 Tag14
 - 1.Aufbautag

Ich bin nach nur 5 Stunden Schlaf putzmunter aufgewacht. Das ist eine der Grossartigkeiten im Fasten, dass man nach einer gewissen Zeit mit deutlich weniger Schlaf auskommt. Könnte es nicht immer so sein? Was wir für eine Zeit im Bett verplempern! 
Ich bin die Erste im Pool heute Morgen und genieße das dampfende warme Wasser und die kühle Morgenluft darüber. Der Himmel ist wieder grau und es nieselt leicht. Abschiedswetter. Zurück im Zimmer erwartet mich mein Frühstück. Ganz vorsichtig tauche ich den Löffel in den cremigen Brei aus Dinkel und geriebenem Apfel, begleitet von 2 eingeweichten Trockenpflaumen. Ich lasse mir gut 20 Minuten Zeit für dieses erste richtige Frühstück.  Die Portion ist sicher nicht riesig, aber ich schaffe sie kaum. Ein bisschen wehmütig fange ich schon mal an zu packen. Heute ist mein letzter Tag. Ein Abschiedsspaziergang trotz nasskaltem Wetter muss aber trotzdem sein. Der Kurpark, die Strandpromenade, die Möwen, die auf den Bootsanlegestegen hocken.  Das alles ist mir inzwischen sehr vertraut geworden. Und ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich diese Bilder klarer und schärfer wahrnehme als in den ersten Tagen. Es ist überhaupt alles klarer, schärfer und reiner. Ich fühle mich so pur. Es ist schwer zu beschreiben. Man muss es einfach mal selbst erlebt haben. Auch die Geschmacksnerven sind geschärft. Mein Abendessen ist das köstlichste, was ich seit Jahren gegessen habe, dabei ist es "nur" eine sehr cremige Kürbissuppe und gedämpftes Gemüse (Fenchel, Kürbis, Zucchini) mit einer wunderbar samtigen Soße. Natürlich ist der Koch großartig, aber das allein ist es nicht. Ich genieße dieses Abendessen in einer unendlichen Langsamkeit, als wäre es meine letzte Mahlzeit auf Erden. Ich muss darüber nachdenken, wie oft wir ohne Sinn und Verstand Essen in uns hineinstopfen, meist begleitet von einer anderen Tätigkeit wie Computerarbeit, lesen oder Fernsehen. Schade eigentlich ums Essen. Man nimmt es gar nicht mehr richtig wahr. Am Abend werfe ich mich noch einmal in mein graues Cashmerekleid. Es gibt ein Konzert in der Aula. Mein "After-Show"-und-Gute-Nacht-Drink" ist heute ein heißer Fencheltee.  


Tag15 - Zurück in den Alltag

Heute bin ich besonders früh aufgestanden. Kein Problem. Ich bin ausgeschlafen und fit. Ich wollte noch so viel wie möglich vom Vormittag haben. Der letzte Besuch bei der Schwester ergibt nach 14 Tagen folgendes Resultat. Blutdruck bestens, Gewicht minus 4kilo, minus 4cm Taille. Nicht, dass ich zum Abnehmen hergekommen bin, doch die paar Pfund in der Mitte, bedingt durch schlampiges Essen und zu viel Rotwein bin ich gerne losgeworden. Meine Hüfthosen kann ich inzwischen wieder bauchfrei tragen (auch wenn ich das nicht mache, es ist gut zu wissen, dass es gut aussehen würde) und die Bikinifigur für den Sommer ist

wieder da. Auch mein Spiegelbild zeigt mir eine strahlende Haut, entspannte Züge und klare Augen. Doch was noch viel wichtiger ist: ich bin voller Energie! Es geht mir so richtig, richtig gut. Ich fühle mich frei, meine Batterien sind aufgeladen, ich bin wie innerlich "sandgestrahlt" und frisch aus der Kochwäsche. Mit diesem Lebenszustand trete ich meine Heimreise an. Silbern glitzert der See - heute auf der Beifahrerseite - neben mir und in der Ferne kann man die schneebedeckten Schweizer Berge gut erkennen. Völlig entspannt und gelassen gleite ich dahin, durch kleine und größere Ortschaften, an den Weinstöcken und Obstbäumen vorbei, die inzwischen ein ganz kleines bisschen grüner geworden sind, bis ich

die Bodenseelandschaft hinter mir lasse und ich mich auf die Autobahn einfädle. Es ist ein herrlicher Tag. Voller Enthusiasmus und guten Vorsätzen mach ich mich auf den Weg zurück in mein normales Leben.

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